Wenn in unserer heutigen Zeit historische Fanfarenzüge weit über die Landesgrenze hinaus immer mehr Bewunderung und Aufmerksamkeit auf sich ziehen, so können sie auf eine stolze Tradition, bis hin ins tiefe Mittelalter, zurückblicken.
Zunächst waren es Leute vom "Fahrenden Volk", die bis ins 15. Jahrhundert, einzeln oder in Gauklergruppen angeschlossen, ihre Trompetenkunststücke der Öffentlichkeit vorstellten und so ihren Lebensunterhalt verdienten. Die damaligen Trompeten waren reine Naturinstrumente ohne Ventile und Klappen und hatten eine Länge von bis zu drei Metern, was natürlich nicht gerade sehr handlich war. Jedoch konnte auf einem solchen Rohr mit seinem Schallbecher die ganze Dur-Tonleiter gespielt werden. Es wurden B, C, D und Es-Trompeten hergestellt, wobei letztere auf Grund ihres scharf und stark tönenden Signals und des noch annehmbar proportionalen Tonkörpers bei den meisten Bläsern Verwendung fand.
Fleißige und versierte Trompeter wurden indessen bei Hofe und in den Freien Reichsstädten als Rats-, Stadt- und Turmtrompeter beschäftigt und waren nicht zuletzt bei Feldzügen kriegsentscheidende Nachrichtenübermittler. Sie besaßen die Funktionen von Gesandten und Geheimnisträgern und erhielten Privilegien, die ihnen einen besonderen Status innerhalb der Gesellschaft verliehen.
1623 fanden sie sich zu einer Reichszunft der "Cammeradschaft der Feldtrompeter und Heerpauker" zusammen, die eine strenge und auf Disziplin bauende Ordnung hatte. Aufnahmebedingungen und Ausbildung waren genau festgelegt und man achtete darauf, daß ein Mißbrauch der Trompete unter Strafe gestellt wurde.
Diese Berufssparte war in jener Zeit so begehrt, daß Wartelisten zwischen zwei und fünf Jahren geführt wurden. Ein Lehrling legte nach zwei Jahren seine Prüfung ab und durfte nach weiterer siebenjähriger Gesellenzeit und unter Teilnahme an mindestens einem Feldzug den Titel "Feldtrompeter" tragen.
Vom äußeren Erscheinungsbild her unterschieden sich die Trompeter wesentlich von den anderen Musikern. An ihren Instrumenten hingen wertvolle, mit Wappen geschmückte Wimpel. Die Uniformen waren farbenfroh bestickt, auf den Baretten und Hüten wehten Straußenfedern, sogar ein Schwert durfte getragen werden, womit sie mit den Offizieren in der Rangordnung gleichgestellt waren.
1795 erschien von J.E. Altenburg der "Versuch einer Anleitung zur heroisch-musikalischen Trompeter- und Pauker-Kunst", wo über die Eigenschaft der Trompete geschrieben steht: "Ihr Klang macht Mut, ist durchdringend und scharf, in der Höhe gleichsam schneidend, so wie in der Tiefe schmetternd. Man hört sie unter allen Instrumenten am weitesten und gibt ihr daher vorzugsweise der übrigen den Namen Königin."
Feldstücke und Signale wurden auswendig gespielt und durch vorblasen oder mündlich weitergegeben. In einem höheren Ausbildungslehrgang folgte alsdann das Spielen nach Noten und die Einführung in die Clarin- Blaßtechnik. Als "Clarino" wird die hohe Lage der Naturtrompete bezeichnet, in der die Obertöne so eng zusammenliegen, daß man geschlossene Tonleitern spielen kann. Diese Spielart war schon im 16. Jahrhundert besonders gefürchtet und erreichte zwischen 1740 und 1770 eine Epoche, die als Höhepunkt dieser Kunst galt. In Werken von Michael Haydn und Georg von Reutter wurden in Konzertstücken die nie wieder erreichte "Rekordhöhe" eine 24. Naturtons (a''' bei der D-Trompete) gefordert und gespielt.
Ein Fanfarencorps wurde durch zwei, mit Naturfellen bespannte Kesselpauken, die der "Heerpauker" bediente, ergänzt. Sie unterstützten als Baßinstrument die sogenannten "Principalo" (3. Trompeter, also 3. Stimme), die neben den "Clarino secundo" (2. Trompeter) und "Clarino primo" (1. Trompeter) das klassische Trompetercorps bildeten. Oftmals wurde eine 3. Stimme, "Ducut" oder "Touquet" genannt, hinzugezogen, die lediglich die Pauken "Tympani") zu unterstützen hatten.
Mit der Erfindung der Ventilinstrumente Ende des 18. Jahrhunderts und mit dem Zerfall des "Heiligen Römischen Reiches Teutscher Nation" hob Friedrich Wilhelm III. 1810 in Preußen die Privilegien der Trompeterzunft auf und führte eine "Demokratisierung" des Musikerlebens ein.
Reine Fanfarenzüge, wie sie heute auftreten, finden sich hauptsächlich im südwestdeutschen Raum und wurden in Erinnerung dieser alten Tradition, oftmals aus Spielmannszügen der Vorkriegszeit gegründet. Flachtrommeln, Pfeifen und Signalhörner wurden durch Landsknechtstrommeln und Fanfarentrompeten mit bestickten Bannern ersetzt und in vielen Fällen ließ man in Anlehnung an alte Dokumente und Zeichnungen originalgetreue Landsknechtsuniformen herstellen.
Die rasante Entwicklung nach dem Kriege bis zur heutigen Zeit zeigt ein deutliches Interesse der aktiven Amateurmusiker und eine wachsende Beliebtheit bei Zuschauern und Zuhörern an dieser Musik und der Art, wie sie vorgetragen wird.
Da nur sehr wenige, originale Musikstücke der Nachwelt erhalten sind, ist jeder Zug bestrebt, eigene Werke oder die, anderer befähigter, zeitgenössischer Komponisten einzuüben und der Öffentlichkeit vorzustellen.
Quelle: Thomas Nagel
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